Vorschau:
Dyslexiker haben massive Schwierigkeiten mit dem Leseprozess, also mit dem Decodieren der sprachlichen Zeichen, dem Aufbau einer Textwelt und der Interpretation derselben. Manche Dyslexiker werden durch das kleinste Störgeräusch aus dem Text herausgerissen und haben alles vergessen, was sie bis dahin gelesen haben. Sie haben eine hohe Fehlerquote bei der Inhaltsklärung. Viele von ihnen greifen auf Kompensationsstrategien zurück: Nur den Anfang eines Wortes lesen und sich den Rest ausdenken – im Internet nur die Inhaltsangabe lesen – oder das Lesen gleich bleiben lassen. Damit auch Dyslexiker an den komplexen Textwelten unserer Gesellschaft teilhaben können, stehen Lehrpersonen aber einige Möglichkeiten zur Verfügung. Texte sind komplex! Um Dyslexiker adäquat fördern zu können, muss man verstehen, dass Textverstehen selbst für durchschnittliche Schüler ein sehr komplexer Akt ist, bei dem sie Hilfe und viel Erklärung brauchen. Nehmen wir als Beispiel den Anfang aus Dantes „Göttlicher Komödie“, in dem er vom richtigen Weg abkommt und in einen dunklen Wald gerät. Im Gehirn des Lehrers bilden sich auf Basis seines Vorwissens natürlich hundert Assoziationen: Der Weg als Gottes Weg – Dante verliert Gott aus den Augen – Bilder des Läuterungsbergs und der Höllenkreise – Vergil – Beatrice – Erlösung in Gottes Gnade. Beim Schüler hingegen kann man froh sein, wenn er überhaupt verstanden hat, dass sich jemand im Wald verirrt hat. Und was bedeutet eigentlich „herb“, „Heil“ und „gewahrte“? Schwachen Schülern und Dyslexikern ist bereits viel geholfen, wenn der Lehrer ein Bewusstsein dafür behält, dass Textverständnis ein komplexer Prozess aus Sprach-, Literatur- und...